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Praktiken der Buchführung im Mittelalter. Rechnungsbücher der Klöster und Adelshöfe, Städte und Kontore im Vergleich

Rechnungsbücher sind auf deutschsprachigem Gebiet seit dem 13. Jahrhundert überliefert. Sie werden nach ihrem Entstehungsort typisiert als monastische, adlige, städtische und kaufmännische Rechnungsbücher. Es fällt jedoch auf, dass sich Rechnungsbücher aus unterschiedlichen Entstehungskontexten ähneln, was die Frage nach konventionalisierten Praktiken der Buchführung aufwirft, denen Akteur:innen aus unterschiedlichen Kontexten offenbar folgten. Das Projekt widmet sich der Frage nach diesen konventionalisierten Praktiken schriftlicher Rechnungsbuchführung. Mit einem praxeologischen Ansatz werden die Regeln schriftlichen Handelns verschiedener Akteur:innen der monastischen und adligen, städtischen und kaufmännischen Wirtschaftsverwaltung im Vergleich untersucht. Dabei ist zu zeigen, dass die Rechnungsbuchführung sich zwischen Routine und Innovation bewegte und in ihrer konventionalisierten Funktionsweise Ausdruck eines Beziehungsgefüges war, das durch Abhängigkeit und / oder Macht bestimmt wurde.

Aus den vier verschiedenen Entstehungskontexten (Kloster und Hof, Stadt und Kontor) werden repräsentative Stichproben ausgewählt und ausgewertet. Die so erarbeiteten Ergebnisse werden nach der mikro-exemplary-Methode durch Gegenüberstellung mit den Ergebnissen aus vergleichbaren Studien auf Zuverlässigkeit und Repräsentativität überprüft. Die Rechnungsbücher werden sowohl einer inhaltlichen als auch einer materialwissenschaftlichen Untersuchung unterzogen. Darauf folgt die Erarbeitung übergeordneter konventionalisierter Praktiken, die hinter dem Handeln Einzelner stehen. Der Ansatz verbindet so theoretische Überlegungen zu konventionalisierten Praktiken und zur „material culture“.

Ziel des Projekts ist es, die konventionalisierten Praktiken der Rechnungsbuchführung offenzulegen. Die dabei erarbeitete neue Typologie mittelalterlicher Rechnungsbuchführung fokussiert nicht auf den Entstehungsort, sondern berücksichtig die Ausgestaltung der schriftlichen Rechnungen, die konkrete Entstehungssituation und ihre Funktionen innerhalb des Verwaltungshandelns. Ich bearbeitet dieses Projekt im Moment im Rahmen meiner Postdoc-Stelle im Graduiertenkolleg 2212 „Dynamiken der Konventionalität (400-1550)“ und erarbeite einen umfangreichen Aufsatz.

Vorarbeiten:

Veröffentlichungen:

[in Zusammenarbeit mit Markus Jansen, Adrian Meyer und Tristan Spillmann]: Konventionen als Regulativ der Schriftlichkeit. Vier Skizzen [in Vorbereitung].

Die Kunst, Daten in Informationen umzuwandeln. Zur Auswertung eines zisterziensischen Rechnungsbuchs aus dem 13. und 14. Jahrhundert und den Herausforderungen in der Analyse serieller Wirtschaftsquellen, in: Gudrun Gleba, Niels Petersen (Hgg.): Wirtschafts- und Rechnungsbücher des Mittelalters und der Frühen Neuzeit: Formen und Methoden der Rechnungslegung: Städte, Klöster und Kaufleute, Göttingen 2015, S. 13–44.

Die Zisterze Kaisheim und ihre Tochterklöster. Studien zur Organisation und zum Wirtschaften spätmittelalterlicher Frauenklöster mit einer Edition des „Kaisheimer Rechnungsbuches“ (Vita regularis. Editionen 5), LIT-Verlag: Berlin [u.a.] 2013.

Vorträge:

11/2021
„Accounting Practices in Monasteries, Towns and Courts. Methodological Reflections“, im Rahmen eines Workshops des Projekts „Finance, law and the language of governmental practice in late medieval towns: Aberdeen and Augsburg in comparison“ (FLAG), der Universitäten in Mainz und Aberdeen