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Zwischen Skizzenbüchern und technischen Enzyklopädien. Schreibende Handwerker (12.–17. Jahrhundert)

Stuttgart WLB, Cod. milit. 2° 24, fol. 1v.

Um ein Handwerk erfolgreich zu beherrschen, waren auch im Mittelalter nicht nur Talent und entsprechende Fähigkeiten erforderlich, sondern auch eine solide Ausbildung. Das für die Ausübung des Handwerks erforderliche Wissen wurde in der Regel in den Werkstätten vermittelt. Lehrlinge lernten von Meistern und Gesellen, die das Handwerk bereits beherrschten, indem sie die erfahrenen Handwerker imitierten und von diesen zugleich korrigiert wurden. Das auf diese Weise vermittelte Wissen ist meist verkörpertes und manchmal implizites Wissen, das nur schwer oder gar nicht aufgeschrieben werden kann. Handwerker tauschten zudem ihr Wissen auf Reisen oder durch freiwillige und erzwungene (Arbeits-) Migration aus. Auch Innovation fand demnach im direkten mündlichen Austausch statt und wurde in den Werkstätten weitergegeben.

Dieses System der Wissensvermittlung benötigt keine Schrift, obwohl Handwerker die Schrift sowohl in der Werkstatt, zum Beispiel für die Buchführung, als auch in der Verwaltung der Zünfte und im Stadtrat verwendeten. Die Weitergabe von Wissen blieb jedoch grundsätzlich mündlich, so eine gängige Erzählung. Diesem Narrativ stehen allerdings unzählige, seit dem 12. Jahrhundert überlieferte Handschriften gegenüber, die technisches Wissen über Handwerke in Text und Bild vermittelten. In diesem Projekt untersuche ich diese von Handwerkern geschriebenen und gezeichneten technischen Handbücher (Skizzenbücher, Büchsenmeisterbücher, etc.) und frage nach den kulturellen und sozialen Voraussetzungen für die schriftliche Vermittlung von Wissen innerhalb einer bisher vor allem mit Mündlichkeit assoziierten sozialen Gruppe. Aspekte von Innovation, (Arbeits-)Migration und transkulturellem Austausch von Wissen werden dabei eine zentrale Rolle spielen.

Es wird gezeigt werden, dass diese technischen Handbücher für die Weitergabe von Wissen zwischen Handwerksmeistern eine besondere Rolle spielten. Vermittelt wurden dort aktuelle Moden und Innovationen, das Mögliche und Denkbare, doch das Knowhow, wie die Produkte herzustellen waren, vermittelten diese Schriften nicht. Die Vermittlung dieses Wissens verblieb in der Werkstatt. Ohne eine solide Ausbildung und Erfahrung im Handwerk waren die Manuskripte in der Praxis nicht zu verwenden. Allerdings kam den Handschriften eine weitere Funktion zu: Sie waren für den Verkauf der dort beschriebenen und abgebildeten Produkte von entscheidender Bedeutung. Ein potentieller Auftraggeber konnte mit ihnen auf die handwerklichen Erzeugnisse aufmerksam gemacht werden. Es handelt sich hierbei nicht um Auslageware, die erst angefertigt und dann verkauft wurde, sondern um kostbare, teure und rohstoffintensive Produkte. Das Projekt wird wichtige Beiträge zur Handwerksgeschichte, zur Wissensgeschichte sowie zur Geschichte der Vermarktung von Produkten liefern.

Publikationen:

Transmission of Useful Knowledge in Texts Written by Craftsmen. Two Case Studies from the Holy Roman Empire, in: Giampiero Nigro (Hg.): L’economia della conoscenza. Innovazione, produttività e crescita economica, secc. XIII-XVIII/The Knowledge Economy. Innovation, Productivity and Economic Growth, 13th to 18th Century” (Datini Studies in Economic History 3), Firenze 2023, S. 259–283.

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