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Verfälscht – Verheimlicht – Unterdrückt. Von der Kunst des Navigierens im Nachrichtenstrom

Zurzeit baue ich gemeinsam mit Jessika Nowak (Wuppertal) ein internationales Netzwerk von Forscher:innen auf, die untersuchen, wie in unterschiedlichen europäischen und außereuropäischen Kontexten mittels der Streuung, Lenkung und Unterdrückung von Nachrichten Deutungskämpfe in der Vormoderne (6.–17. Jahrhundert) ausgefochten wurden. Wir bereiten derzeit dazu einen Sammelband für die Reihe „Mittelalter. Interdiszplinäre Forschung und Rezeptionsgeschichte, Beihefte“ vor, der im Jahr 2024 veröffentlich werden soll.

Fake News sind seit Donald Trump zum geflügelten Wort geworden, und in unserem digitalen Zeitalter wird ihnen mehr und mehr Aufmerksamkeit zuteil. Unbestritten offenbart nicht erst, aber besonders eindrücklich die pandemische Krise den schwierigen Umgang mit Fake News, Gerüchten und Halbwahrheiten, die, digital global verbreitet, ein einheitliches Konzept von Wahrheit infrage stellen. So ist es auch nicht verwunderlich, dass sich in der westlichen Diskussion darüber, wie viele verschiedene „Wahrheiten“ nebeneinander existieren können und welche Kriterien sich für die Einordnung in die Kategorien „wahr“, „gerecht“ und „legitim“ in Erwägung ziehen lassen, derzeit ein neues Tableau gebildet zu haben scheint.

Dahinter steht die Frage, wie die soziale Gemeinschaft bestimmte Nachrichten verbreiten, wahrnehmen, deuten und erinnern soll, und es ist zu eruieren, wie die Verbreitung von Nachrichten in der Vormoderne in unterschiedlichen sozialen und kulturellen Kontexten beeinflusst wurde. Es sollen die Verbreitungsmechanismen von Nachrichten und besonders die Techniken beleuchtet werden, die angewandt wurden, um Nachrichten, die als schädlich oder gefährlich empfundene Informationen und konkurrierende Ansichten enthielten, zu unterdrücken. Eine Technik, entgegenlaufende Interpretationen zu unterbinden, ist neben der Lenkung von Nachrichten- und Informationsströmen, die Zensur, die dazu dient, Informationsströme zu unterbrechen. Im Fahrwasser der Zensur befindet sich stets die Selbst-Zensur, indem bestimmte Informationen nicht weitergegeben werden, um möglichen Repressalien zu entgehen. Eine weitere, verwandte Methode, Nachrichten in geeignete Bahnen zu lenken und zugleich konkurrierende Deutungen zu unterbinden, ist auch hier die Verbreitung von der eigenen Ansicht entsprechenden, aber im Grunde falschen Informationen – modern gesprochen: die besagten Fake News.

Die aufgeworfenen Fragen, wie in der Vormoderne mittels der Streuung, Lenkung und Unterdrückung von Nachrichten und Informationen Deutungskämpfe ausgefochten wurden, ist anschlussfähig für eine ganze Reihe aktueller Forschungsanliegen der Medien- und Kommunikationsgeschichte, der Politik- und der Sozialgeschichte, aber auch der Stadt-, Rechts- und Kirchengeschichte.

Vorarbeiten:

Publikationen:

Die Stimme aus dem Off. Oppositionelle Handwerker beschreiben ihre Stadt, in: Klaus Kipf und Jörg Schwarz (Hgg.): Stadtgeschichten. Stadt und Kultur in Mittelalter und Früher Neuzeit (600–1600) (Das Mittelalter. Beihefte) [im Druck].

Tagungen:

2022-2023
6 Zoom-Workshops zum Thema „Fake News, Geheimhaltung und (Selbst-) Zensur als Mittel gezielter Nachrichtenlenkung in der Vormoderne“, gemeinsam mit Jessika Nowak (Wuppertal)